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Werft euer Vertrauen nicht weg?

Gedanken zum Sonntag, 24. September 2023

von Pfarrerin Ines Fetzer

Woher bekommen wir den langen Atem, den wir zum Glauben brauchen? Wie können wir zerbrochenes Vertrauen wieder gewinnen? Fragen, die ich mir angesichts der Situation unserer Kirche manchmal stelle. Manchmal könnte man verzagen. War es früher nicht viel besser um unsere Gemeinden bestellt?
Offenbr auch nicht immer, denke ich, wenn ich in der Bibel im Hebräerbrief lese. Da steht im 10. Kapitel: "Werft euer Vertrauen nicht weg, welches eine große Belohnung hat. Geduld aber habt ihr nötig, damit ihr den Willen Gottes tut und das Verheißene empfangt. Wir aber sind nicht von denen, die zurückweichen und verdammt werden, sondern von denen, die glauben und die Seele erretten."
Hier schreibt einer an eine Gemeinde, die müde geworden ist - müde im Glauben, müde im Vertrauen auf Gottes Verheißungen. Von der anfänglichen Begeisterung ist nicht mehr viel zu spüren. Zu sehr drücken die Lasten des Alltags, die Angst vor der Zukunft. Zu sehr fördert das Gleichmaß der Tage die Gleichgültigkeit. Wo bleibt denn die versprochene Erneuerung der Welt, die Erlösung von allem Bösen? Schon damals kehrten immer mehr Menschen der Gemeinde den Rücken und suchen ihr Heil woanders. "Werft euer Vertrauen nicht weg!" wird ihnen gesagt.
Es ist für mich immer wieder verblüffend, wie aktuell biblische Sätze sein können. Auch wenn unsere heutigen Gemeinden in vielem ganz anders sind als die Gemeinde, an die sich der Hebräerbrief wendet - an diesem Punkt fühle ich mich unmittelbar angesprochen. Ich spüre, wie schwer sich Vertrauen durchhalten lässt und wieviel Geduld wir dazu brauchen. Dazu sind auch wir Christen viel zu sehr "Kinder unserer Zeit".
"Werft euer Vertrauen nicht weg!"  Das ist eine werbende Liebeserklärung. Wegwerfen kann ich doch nur etwas, was ich noch habe. So höre ich den Satz eher ermutigend, einladend: "Besinnt euch doch auf das, was ihr habt, auf euer größtes ‚Kapital' als christliche Gemeinde! Besinnt euch auf das Grundvertrauen, das euch hält und trägt!" Vertrauen ist ein anderes Wort für Glauben. Wer sonst, wenn nicht wir, verstehen etwas davon!