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Geschwister im Glauben

Gedanken zum Sonntag,13. August 2023 

von Pfarrer Eckhard Sckell

Wir sind die Gläubigen – die anderen sind die Ungläubigen. Wir haben die Wahrheit – die an-deren nicht. Lange Zeit wurde so in unserer Kirche gedacht. Es ist gut, dass sich das grundlegend geändert hat.
Unser Verhältnis zu anderen Religionen ist heutzutage eher von Respekt und Toleranz geprägt. Andersgläubige sind wie wir Geschöpfe Gottes, Gottes Ebenbilder, Suchende im Glauben. Und wir hoffen auch für Sie, dass sie von Gott gefunden werden.
Unser Verhältnis zu Juden ist ein ganz Spezielles. Das hat etwas damit zu tun, dass wir die gleiche Wurzel haben, dass wir an den gleichen Gott glauben. Wir sind Geschwister im Glauben. Wir gehören in unserer Glaubensgeschichte zusammen. Unser Glauben als Christen ist von Anfang an und in seiner ganzen Tiefe mit dem Glauben der Juden verbunden ist. Wenn ich aus der Bibel lese, wenn ich aus der Tora lese, wird mir schnell klar, dass Christen und Juden sehr ähnliche Gene haben.
Die meisten stimmen sogar vollkommen überein. Der Glaube an den einen Gott. Das ist grundlegend für unseren Glauben genauso wie für den Glauben der Juden. Das ist nicht selbstverständlich. Weder der Glaube, dass es nur einen Gott gibt und nicht viele. Noch der Glaube, dass es überhaupt einen Gott gibt. Etwas oder jemand, auf den mein Leben bezogen ist. Ein Gegenüber, ein Lebensbegleiter, eine Richtschnur, Kraftquelle.
Dass Gott wirklich Gott ist, dass er da ist, dass er wirkt, dass er nicht nur eine wirre Idee ist, das haben die Israeliten erfahren, als Gott sie aus Ägypten herausgeführt hat. Diese Erfahrung ist für Juden grundlegend. Für uns Christen bedeutet das: Gott ist leidenschaftlich. Wir begreifen: Er leidet mit, wenn wir leiden. Er ermutigt uns aufzustehen und uns mit Ausbeutung und Unterdrückung nicht abzufinden. Er ringt mit uns. Er gibt uns nicht auf. Dafür steht Gott ein.
Und schließlich: Gott ist und bleibt unverfügbar. Er lässt sich nicht sehen. Und er will nicht, dass wir uns ein Bild von ihm machen. Warum nicht? Einerseits aus Respekt vor dem Unendlichen, andererseits, um uns davor zu bewahren, Gott in den Griff bekommen zu wollen. Die Tora begründet diesen Glauben. Wir Christen verdanken ihn den Juden. Gut, dass wir daran  erinnert werden.