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Das Fenster zum Himmel und zur Welt

Gedanken zum Sonntag, 14. Mai 2023

von Vikarin Theresa Fischer

Sprechen Sie mit Gott?“ – Der heutige Sonntag trägt den Namen „Rogate“. Das bedeutet betet! Darum geht es, wenn wir mit Gott sprechen. Es geht darum zu beten. Sich an Gott wenden.
Das Gebet gibt uns die Möglichkeit vor Gott zu bringen, was uns bewegt, vor was wir Angst haben, was uns traurig macht, was uns hoffen lässt und was uns froh macht. Diese Gefühle zum Ausdruck zu bringen, ist etwas sehr Persönliches. Wer sich im Gebet an Gott wendet, gibt etwas von sich preis und zeigt sich, so wie er oder sie ist. Im Gebet merken wir, dass wir auf Gott und angewiesen und bedürftig sind, weil nicht alles in unserer Hand liegt. - Wozu beten?! Ich denke die Wirkung liegt im Gebet selbst. Indem wir beten, ändern wir uns selbst. Wir bringen unsere Empfindungen, Bedürfnisse und Ängste zur Sprache, lernen dankbar zu sein, für die Umstände unseres Lebens. Auch wenn wir keine Antwort von Gott erhalten, erleben wir im Glauben, dass Gebete erhört werden. Es kann sein, dass eine Last von uns abfällt, unsere Seele ruhig wird oder wir merken, dass sich Gott um uns sorgt. Ich würde so weit gehen, dass das Geschenk des Gebets ein Fenster zum Himmel ist. Wir können diese Verbindung nach oben nutzen: das Fenster ist immer da. Wir können das Fenster öffnen, um mit Gott zusprechen.
Der heutige Predigttext spricht auch vom Gebet – allerdings bringt er einen anderen Aspekt ins Spiel: die Fürbitte – das Gebet füreinander. (1. Tim 2,1-6)Manchmal lese ich morgens Schlagzeilen im Internet und bekomme eine Gänsehaut bei dem, was ich sehe. Eingestürzte Gebäude, neue Kriegsentwicklungen in der Ukraine, entführte Kinder, verunglückte Autofahrer. Wenn ich diese Meldungen sehe, tut es mir in der Seele weh. Ich leide mit den Menschen, die von diesem Unglück und Leid betroffen sind. Und frage mich: Was kann ich tun? Gibt es für mich eine Möglichkeit, denjenigen beizustehen, die jetzt verletzt oder verzweifelt sind? – Ich bin nicht bei der Feuerwehr, Polizei oder Sanitäterin beim Roten Kreuz. Aber ich kann mich hinsetzen und für die Menschen, die in Not sind, beten.Manche sagen natürlich: „Was hilft das schon? Solche Gebete nützen gar nichts!“ Aber ich bin davon überzeugt, dass es gut ist, für andere zu beten. Erstens hilft es mir, wenn ich das tue. Wenn ich Gott anvertraue, dass mich die Not meiner Mitmenschen bewegt, erleichtert es mir das Herz. Manchmal fällt mir dabei auch ein, was ich für jemanden tun kann, für den ich bete. – Aber die entscheidende Frage: Hilft ein Gebet den Menschen in Not? Wenn andere für uns beten, ist das keine Garantie dafür, dass alles gut ausgeht. Dennoch bin ich mir sicher: Gebete helfen! Denjenigen, die beten und natürlich auch mir selbst. Durch das Beten entsteht eine starke Gemeinschaft, die in Verbindung bleibt. Das Gebet habe ich vorhin bezeichnet als Fenster zum Himmel. Die Fürbitte hingegen ist das Fenster zur Welt: Wahrnehmen wie es anderen geht, sich berühren lassen von den Ereignissen, die um mich herum geschehen und meinem Mitgefühl im Gespräch mit Gott Ausdruck verleihen.
Wer betet, legt die Hände nicht in den Schoß. Im Gegenteil: Indem ich mein Leben und die Ereignisse in der Welt vor Gott bedenke – sozusagen die Welt ins Gebet nehme, werde ich zu verantwortlichem Tun befähigt. Was für ein Geschenk dieses Gebet ist – als Fenster zum Himmel und zur Welt!